Der Versorgungsauftrag

Aufgaben der Diabetologischen Schwerpunktpraxis sind die Schulung von Menschen mit neumanifestiertem Diabetes, Schulung von Risikogruppen, Schulung von Patienten mit Diabetesproblemen, in Kooperation mit den Hausärzten der Patienten.

Die Diabetologische Schwerpunktpraxis hat zur Erfüllung dieser Aufgaben erhebliche Qualifizierungsarbeit erbracht durch Einstellung und Weiterbildung von qualifiziertem Personal für Schulung und Wundbehandlung. Durch die Infrastruktur mit Schulungsräumen, Fußbehandlungsräumen und den Aufbau von Qualitätsmanagement ist die Schwerpunktpraxis in der Lage, viele akute Probleme ohne Krankenhauseinweisung zu beherrschen.

Auf Grund dieser Strukturen können Diabetes-Schwerpunktpraxen eine umfassende Versorgung von Menschen mit Diabetes gewährleisten.

Als Diabetes mellitus Typ 1 wird die Form des Diabetes  bezeichnet,  die  schicksalhaft aufgrund einer Zerstörung der Betazellen in der Regel im Rahmen eines Autoimmungeschehens entsteht und sowohl akut (z. B. Ketoazidose, Hypoglykämie) als auch chronisch verläuft. Eine hohe Versorgungsqualität ist hier erforderlich, um den Menschen mit Typ 1 Diabetes ein möglichst normales Leben mit normaler Leistungsfähigkeit und Lebenserwartung zu ermöglichen.

Im Gegensatz zum Diabetes mellitus Typ 2 kann der Diabetes Typ 1 nur durch die in diesen Fällen lebensnotwendige Insulingabe behandelt werden. Weltweit anerkannt ist für diese Menschen die intensivierte Insulintherapie mittels multipler Insulininjektionen (oder Pumpenbehandlung), angepasst an die selbstgemessenen Blutzuckerwerte, Therapie der Wahl. Sie ermöglicht einen flexiblen Tagesablauf bei freier Nahrungswahl bei normnaher Blutzuckereinstellung.

Da Patienten mit Typ 1 Diabetes eine erheblich höhere Blutzuckerschwankungsbreite haben, bedarf es im Umgang mit der Erkrankung eines Mindestmaßes an Erfahrung, weshalb die Behandlung eines Diabetes mellitus Typ 1 grundsätzlich Aufgabe der Diabetologischen Schwerpunktpraxis ist.

 

Als Diabetes mellitus Typ 2 wird die Form des Diabetes bezeichnet, die mit einer Insulinresistenz und einem relativen Insulinmangel einhergeht, die ca. 90 Prozent der Zahl der an Diabetes Erkrankten betrifft. Die Erkrankung ist chronisch progredient. Nicht zuletzt auf Grund der stetig steigenden Inzidenzrate, wird der Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Typ 2 Diabetes von den Vertragspartnern ein hoher Stellenwert beigemessen.

Seit der St. Vincent Deklaration haben Menschen mit Diabetes ein verbrieftes Recht auf Schulung bei Erkrankungsbeginn. Wesentliche Aufgabe von Diabetologischen Schwerpunktpraxen ist daher Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 bei Bekanntwerden  der Erkrankung angemessen zu schulen, um Ihnen damit von Anfang an den sinnvoll-
sten Umgang mit ihrer Erkrankung zu ermöglichen. Die Erstschulung sollte in einer Diabetesschwerpunktpraxis erfolgen, da Qualität der Schulung neben der Qualifikation der Schulenden maßgeblich von der Regelmäßigkeit der Durchführung, der Gruppengröße, der Gruppenzusammensetzung und der Gesamtzahl der an einer Einrichtung Geschulten abhängt.

Eine Mitbehandlung von Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 in der Diabetologischen Schwerpunktpraxis ist ebenfalls notwendig bei wiederholtem (zwei aufeinander folgende Quartale) Nichterreichen der Einstellungsziele (z. B. HBA1c) und insbesondere bei einer notwendigen Insulinein-/umstellung, respektive Neueinstellung.

Auf Grund der multifaktoriellen Ursachen und damit auch Behandlungsstrategien sollten Patienten mit neuaufgetretenen Folgeerkrankungen ebenfalls in einer Schwerpunktpraxis vorgestellt werden. Bei Auftreten multipler Folgeerkrankungen sollte eine kontinuierliche Mitbetreuung in der Schwerpunktpraxis erfolgen, da hier eine multimodale Vorgehensweise mit Erreichung patientenorientierter individueller, gegebenenfalls normnaher Einstellungsziele angezeigt ist, um eine weitere Einschränkung der Leistungsfähigkeit und Lebenserwartung sowie Zunahme der Pflegebedürftigkeit zu reduzieren.

 

Diese Sonderformen des Diabetes wie der pankreoprive Diabetes stellen eine besondere Anforderung an den Arzt und gehören in die Hände von Diabetologen/innen.

Besonders bei insulinbedürftiger Ausprägung des pankreopriven Diabetes mellitus ist wegen der unzuverlässigen Nahrungsverwertung oft nur sehr schwer eine zufriedenstellende Stoffwechseleinstellung zu erreichen.

Das Schulungsangebot der Schwerpunktpraxis richtet sich nach dem  individuellen Bedürfnis der/des Betroffenen. Das können Module aus unterschiedlichen Schulungstypen sein.

Neuaufgetretene Folgeerkrankungen führen in der Regel zur Notwendigkeit von Therapieänderungen, respektive -intensivierungen.

Neben einer notwendigen Therapieoptimierung beim Auftreten der diabetischen Retinopathie, ist auch das Stadium der Retinopathie relevant, da es beispielsweise beim Vorliegen einer proliferativen Retinopathie zur Erblindung durch Hypoglykämien kommen kann.
Bei der Nephropathie ist die frühzeitige Diagnose und darauf folgende therapeutische multifaktorielle Intervention für die Prognose, Dauer der Dialysefreiheit, von entscheidender Bedeutung.

Das Auftreten einer Neuropathie verlangt ebenfalls nach einer differenzierten Intervention, da zahlreiche Studien zeigen, dass dadurch Amputationsraten deutlich gesenkt werden können. Aber auch die autonome Neuropathie erfordert einen differenzierten Umgang mit dem Therapieregime, je nach betroffenem Organ.

 


Menschen mit diabetischem Fußsyndrom sind Patienten mit peripherer Polyneuropathie und/oder peripherer Angiopathie sowie einem Fußulkus oder Epithelläsionen, die unmittelbar ulkusgefährdet sind; sie sind überhäufig von Amputationen betroffen, verbunden mit dem Verlust an Lebensqualität, der Zunahme an Pflegebedürftigkeit und einer überdeutlich erhöhten Letalität.

Seit der St. Vincent – Deklaration ist die Halbierung der Amputationszahlen bei Menschen mit Diabetes mellitus verschriftetes Ziel. In einzelnen regionalen Vereinbarungen konnte gezeigt werden, dass dieses Ziel bei entsprechenden Versorgungsstrukturen zu erreichen ist.
Zur Versorgung von Menschen mit diabetischem Fußsyndrom sind besondere Struktur- und Prozessqualifikationen vorzuhalten. Die Versorgung dieser Patienten ist daher Aufgabe von dazu besonders spezialisierten Einrichtungen (Zertifizierte ambulante Fußbehandlungseinrichtungen (ZAFE)).

 

Bei Frauen mit vorbestehendem Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 sind Schwangerschaften immer als Risikoschwangerschaften zu werten. Es bestehen erhöhte Risiken für Missbildungen, für Komplikationen im Schwangerschaftsverlauf und bei der Geburt. Diese Fragen bedürfen daher der besonderen gezielten Betreuung spezialisierter Diabetologen in enger Kooperation mit Geburtsmedizinern, Neonatologen, Hebammen, Augenärzten und gegebenenfalls weiteren Fachdisziplinen.

Sowohl die Missbildungs- als auch die Komplikationsrate lässt sich durch eine normnahe Blutzuckereinstellung, möglichst bereits präkonzeptionell normalisieren.

Eine normnahe Blutzuckereinstellung ist auch für Frauen, die während der Schwangerschaft an einem Gestationsdiabetes erkranken, unbedingt zu erreichen. Die Risiken für Mutter und Kind sind im Rahmen der HAPO - Studie erneut belegt worden.

Da Schwangerschaften keinen Zeitaufschub gewähren, sind hier besondere Betreuungsstrukturen und Schulungskonzepte zu fordern (s. Strukturanforderungen an eine Diabetologische Schwerpunktpraxis), die nur bei entsprechender Strukturqualität einer Einrichtung zu gewährleisten sind (z. B. Zahl und Erfahrung der Diabetesberater/innen, qualitätsgesicherte Glucosebestimmung auf Grund der niedrigen Grenzwerte).

Der BVND steht für die konsequente Umsetzung der Mutterschaftsrichtlinien, in die seit März 2012 das flächendeckende Screening auf Gestationdiabetes in der 24. – 28. Schwangerschaftswoche Eingang gefunden hat.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen! Eine flächendeckende Versorgung auf Grund der verhältnismäßig geringen Anzahl der Erkrankten ist rein pädiatrisch nur schwer sicherzustellen. Eine rein pädiatrische Einrichtung hat auf Grund der Erkranktenzahlen große Probleme die erforderliche Strukturqualität bereit zu stellen. Daher sind auch hier Diabetologische Schwerpunktpraxen erforderlich, die ein hohes Maß an Erfahrung im Umgang mit Diabetes Typ 1 haben und sich gleichzeitig auch intensiv um die Betreuung diabetischer Kinder als zusätzliche Spezialisierung bemühen.

 

Insulinpumpenversorgung
Die Insulinpumpentherapie ist eine besondere Behandlungsform, die nur in Frage kommt, wenn der Blutzucker mit einer konventionellen Insulintherapie nicht ausreichend einstellbar ist. Es handelt sich daher um Patienten, bei denen ein besonders labiler Stoffwechsel besteht, oder weitere Begleiterkrankungen wie beispielsweise Unterzuckerungswahrnehmungsstörungen vorliegen.

Eine Insulinpumpenbehandlung ist daher dauerhaft von einer dafür besonders spezialisierten Einrichtung zu erbringen, da nur dadurch ein langfristiger Therapieerfolg zu sichern ist.

Real-Time-Continous-Glucose-Monitoring rt-CGM Versorgung und zukünftige Therapieentwicklungen
Mit der Einführung der rt-CGM Messung als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen durch den G-BA, wird die zentrale Rolle der Diabetologen bei der Behandlung der Menschen, die dieser Therapieunterstützung bedürfen, unterstrichen. Hier ist der Berufsverband gefordert, die aktuellen Entwicklungen und für angemessene Vergütungen neuer Leistungen und Technologien zu streiten.

 

Menschen mit Migrationshintergrund sind in zunehmender Zahl an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt. Auf Grund der häufigen Sprachbarriere,  aber  besonders  auch  auf  Grund des anderen kulturellen Hintergrunds, stellen sich besondere Probleme bei der Einstellung und Schulung, für deren Lösung es spezialisierter Einrichtungen bedarf.

Menschen mit kognitiven und intellektuellen Einschränkungen haben besondere Probleme das Selbstmanagement bei der Behandlung der Diabeteserkrankung zu übernehmen. Hier sind angepasste Schulungskonzepte – oder auch Einzelschulungen – erforderlich, um diesen Menschen ein Höchstmaß an Selbstständigkeit zu ermöglichen, aber auch um Risiken zu erkennen und geeignete Maßnahmen einzuleiten. Hier ist das besonders ausgebildete Personal von Schwerpunktpraxen erforderlich.

Weiteres Arbeitsgebiet der Diabetologischen Schwerpunktpraxis ist die Behandlung von Menschen mit Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen. Hier sind besondere Diagnostik und Schulungen, sowie zahlreiche therapeutische Einzelgespräche erforderlich, um rezidivierende Hypoglykämien und deren Folgen zu verhindern.

Auf Grund der vielfältigen Folgen des Diabetes und der dadurch großen Zahl an benötigten Spezialisten in verschiedenen Fachgebieten, ist besondere Aufgabe der Schwerpunktpraxen der Aufbau zahlreicher vernetzter Kooperationen, um auch Patienten mit multiplen Komplikationen einen auf sie abgestimmten Behandlungsplan mit einheitlicher Linie zu ermöglichen.